23.So.i.Jkr.-04.09.2022

UNTERSCHEIDUNGEN

Die Botschaft Jesu ist Botschaft des Heils. Er verkündet die Liebe des Vaters und das Kommen des Reiches. Er ruft die Menschen zum Frieden und zur Eintracht im heiligen Willen. Dennoch wirkt sein Wort zunächst nicht Einheit, sondern Trennung. Je tiefer ein Mensch Christ wird, desto tiefer unterscheidet sich sein Dasein von dem anderer, die nicht Christen sein wollen, oder soweit sie es nicht sein wollen. Dieses Anderssein läuft durch die nächste Verbundenheit; denn das wirkliche Christwerden ist keine Sache natürlicher Veranlagung oder geschichtlicher Entwicklung, sondern innerste Entscheidung des Einzelnen. Der eine vollzieht sie, der andere nicht. So kann von hier aus eine Trennung zwischen einen [sic!] Hausgenossen und den anderen kommen. In einem solchen Falle soll der Mensch Jesus höher stellen als alle sonst, und seien es die Nächst-Verbundenen: höher als Vater und Mutter, Sohn und Tochter, Freund und Freundin. Das greift ans Leben, und die Versuchung drängt, die lebendige Verbundenheit zu wahren und dafür Christus preiszugeben. Jesus aber warnt: Hältst du dieses „Leben“ fest und gibst darüber mich auf, dann verlierst du auch dein eigenes, eigentliches Leben. Lässest du dich aber los um meinetwillen, dann findest du dich selbst im Eigentlichen und über alles Weltmaß hinaus.

 

Aus: Romano Guardini, Der Herr. Betrachtungen über die Person und das Leben Jesu Christi, Würzburg: Werkbund-Verlag 11. unveränderte Aufl. 1959, S. 343.