31.So. i.Jkr.-05.11.2023

Lebendiger Zusammenhang

Es ist nicht möglich, Gott zu lieben, den Nächsten aber nicht. Lieben ist eine strömende Gesamtgestalt, die von Gott zu mir, von mir zum Nächsten, vom Nächsten zu Gott geht.
Das ist schon kein Individualismus mehr, sondern lebendiger Zusammenhang. Und nicht nur zum nahestehenden Einzelnen; der Strom soll zu allen gehen. Jesus mahnt einmal, die Herrschsucht abzulegen: Keiner soll sich Vater oder Meister nennen.
Einer ist euer Vater, der im Himmel. Einer ist euer Meister, Christus. Ihr aber seid Brüder (Mt 23, 8-12). Hier wird vom christlichen >>Wir<< geredet. Die Glaubenden sollen in brüderlicher Gemeinschaft verbunden sein. Es ist die Gottesfamilie, in welcher Alle Geschwister sind und einer der Vater. […] Diese Verbundenheit ist es, die ihren Ausdruck im Ethos der Bergpredigt findet, und im Vaterunser zum Gebet wird.

Aus: Romano Guardini, Der Herr. Betrachtungen über die Person und das Leben Jesu Christi, Würzburg: Werkbund-Verlag, elfte unveränderte Aufl. 1959.